Management: Wie lässt sich eine mutige Haltung fördern?

Letzthin nahm mein Sohn eine Spinne in die Hand und liess sie auf seinem Arm spazieren, ohne mit der Wimper zu zucken? War dies ein Zeichen von Mut? Darf ich jemanden bitten, eine Spinne in die Hand zu nehmen, wenn ich nicht weiss, ob er sich davor fürchtet? Manche Menschen müssen ja schon beim Gedanken, sich einer Spinne nähern zu müssen, grossen Mut aufbieten.

Mut hat mit unseren Ängsten zu tun! Manche sind tief in uns verankert, von anderen wissen wir kaum. Im Gegensatz zu vielen von Ihnen bin ich nicht Psychologe. Aber ich wurde in meiner Karriere als Manager und in meinem Privatleben immer wieder mit Ängsten konfrontiert, meinen Ängsten und jenen der andern. Nicht zuletzt bei Umwälzungen und Change-Projekten. Es ist deshalb Pflicht, sorgfältig mit dem Mut umzugehen.
Denn die Ängste meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kenne ich zunächst nicht.

Was tun?
Beleuchten wir vier Achsen, die viel mit «Mut» zu tun haben. Mut bedeutet, den Willen und die Fähigkeit haben, etwas zu wagen. Mut beruht auf Selbstvertrauen, Erfahrung und Charakterstärke. Sich mutig zeigen können setzt voraus, dass man Risiko einzugehen vermag.

Je nach Individuum zeigt sich Mut auf unterschiedliche Weise. Wer in objektiv ungefährlichen Situationen Angst empfindet, verhält sich insofern mutig, als er sich diesen Situationen überhaupt aussetzt. In einer gefährlichen Situation keine Angst zu verspüren, gilt zwar bisweilen auch als mutig, obschon es auch ein Zeichen von Erfahrung oder von Naivität sein kann. Wirklicher Mut beinhaltet die Bereitschaft, allfällige körperliche, seelische oder gesellschaftliche Konsequenzen zu tragen. Wer ohne diese Bereitschaft drauflosgeht, wird schlicht als unvorsichtig bezeichnet.

Erste Achse: Ressourcen
Wir haben körperliche, geistige/spirituelle und materielle Ressourcen. Um mehr Mut zu kriegen oder jemanden (mich selbst, meine Kinder, meine Mitarbeiter) mutiger werden zu lassen, kann ich meine körperlichen Kräfte entwickeln (Selbstverteidigungskurs, Sport, Ausdauer). Ich kann auch meine geistigen Fähigkeiten fördern – oft sind sie es, die im Sport oder im Berufsleben den Unterschied ausmachen. Solche Entwicklungen lassen sich durch Coaching anstossen. Materielle Ressourcen schliesslich, beispielsweise eine bestimmte finanzielle Sicherheit, erlauben mehr Spielraum.

Zweite Achse: Erfahrung
Erfahrungen sind im Zusammenhang mit Mut ebenfalls eine Ressource. Damit Erfahrung Früchte trägt, muss man sie mit Selbstreflexion verbinden. Also mit der Fähigkeit, Erfolge und Misserfolge zu analysieren, um daraus zu lernen und daran zu wachsen. Praktika, Jobrotation und das Engagement bei interdisziplinären Projekten sind nur einige der Wege, um den eigenen Erfahrungsschatz zu erhöhen.

Dritte Achse: Naivität
Manche Taten werden von andern als mutig empfunden, dabei waren bloss die Risiken ausgeblendet worden.
Aus blosser Naivität heraus – die eingegangenen Risiken werden kaum wahrgenommen – können bestimmte Vorgehensweisen mutig wirken. Eine gewisse Naivität mag wohltuend sein, im Hinblick auf Weiterentwicklung sind Risiken allerdings zu berücksichtigen, zu erfassen und zu analysieren. Verschiedene Techniken und Methoden erlauben es, Situationen oder Projekte systematisch zu analysieren.

Letzte Achse: Ängste
Wie bereits erwähnt, haben Ängste und Mut viel miteinander zu tun; beides ist zudem ausgesprochen individuell. Vorsicht ist also angesagt. Zuhören, ins Gespräch kommen und sich für seine Mitarbeitenden zu interessieren, ist also besonders in Umbruchphasen von zentraler Bedeutung. Oft tauchen Ängste gerade in solchen Momenten auf. Bisweilen ist es sinnvoll, jemanden zum Überwinden seiner Ängste zu bewegen, ohne Zwang, sondern mit Ermutigung und UNTERSTÜTZUNG.

Beispiel:
Stellen wir uns eine Person mit Höhenangst vor. Sie organisieren einen Teamausflug und gehen in die Halle an die Kletterwand. Der nicht schwindelfreien Person wird vielleicht schon beim Gedanken daran elend.
Zeigen Sie ihr, dass sie mit einem Seil und einem erfahrenen Partner am anderen Ende gesichert wird. Sagen Sie ihr, dass Sie zunächst nur einen Meter über dem Boden sein wird, dann zwei Meter und dass sie jederzeit abbrechen oder absteigen kann. Ist genügend VERTRAUEN im Spiel, wird die Person langsam immer ein wenig höher hinaus wagen, vielleicht sogar Freude daran bekommen. Ich hatte mit einer Dame zu tun, die sieben Meter über dem Boden auf einmal so begeistert war, dass sie sogar Gefallen daran fand. Sie hat dabei gelernt, dass es nicht so schlimm ist oder anders gesagt: sie hat dabei die Erfahrung gemacht, dass ihr Mut ihre Ängste überwinden kann.

Entscheidend ist, den Betroffenen in den Angst- und Unsicherheitsmomenten nahe zu sein, auf sie zu hören und ihnen vor allem eine gewisse Unterstützung und Sicherheit zu vermitteln. Man darf diese Personen nicht allein, ohne Information, ohne Unterstützung, ohne Kontakt lassen … Da ist ja in vielen Unternehmen noch viel Potenzial vorhanden, oder?

Stärken Sie die Ressourcen Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, lassen Sie sie Erfahrungen sammeln und ihre Fähigkeiten zur Risikoanalyse entwickeln. Bewahren Sie dafür eine Spur Naivität und lassen Sie die Ängste Ihrer Mitarbeitenden an sich heran.

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