Charisma als Gefahr: eine Frage von Verantwortung und Autonomie

Das aktuelle Bild, das die Politik von sich gibt, lässt einen nachdenklich werden. Welche Wirkung haben wir?
Wahlkampagnen, Reden und Veranstaltungen drehen sich um Menschen mit einem gewissen Charisma.
Doch was stellen sie dar und vor allem welche Absicht steckt hinter ihrem Tun und Reden: Einfluss oder Manipulation?

Ich definiere Leadership so:
«Fähigkeit, eine Bewegung zu erzeugen (‹Momentum›), Menschen auf ein gemeinsames Ziel oder eine attraktive Vision hin in Bewegung zu setzen mittels eines anregenden, schöpferischen und inspirierenden Rahmens.»
Gelegentlich sage ich auch, Leadership sei legitime Macht (Autorität).
Über «Macht» und «Legitimität» äussere ich mich in einem späteren Beitrag näher. Macht ist, kurz gesagt, nichts Negatives, nur was ich daraus mache, die Verwendung meiner Macht, kann negativ sein. Nun aber sind es die andern, die mir die Legitimität verleihen, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also wer mir folgt.
Daraus folgt eine grosse Verantwortung. Ich kämpfe für eine bestimmte Vision, meinen Beitrag zu einer besseren Welt in Form von verantwortungsvollen und ihrer eigenen Wirkung bewussten Leadern, Leadern also, die so wenig Kollateralschäden verursachen wie möglich.
Selbstverständlich nehme ich in diesem Kontext Einfluss, rege an, setze mit meinem Enthusiasmus und meiner Persönlichkeit etwas in Gang und bringe andere dazu, es mir nachzutun; die Inspiration, die ich vermittle, ist also eine Energiequelle.
Leader ist nur, wem andere folgen. Auf YouTube findet sich ein kurzes Video zur Illustration dieses Phänomens (First Follower, Leadership lessons from dancing guy)

Dies alles setzt meinerseits eine hohes Verantwortungsbewusstsein voraus. Welche Auswirkungen hat die von mir in Gang gesetzte Bewegung? Ist meine Absicht positiv, ethisch vertretbar?
Die Grenze, die man dabei nie überschreiten darf, steckt im Wort «Autonomie». Ich kann mit meinem Charisma beeinflussen – manipulieren darf ich hingegen nicht. Mein Gegenüber, jene, die mir nachfolgen, müssen immer entscheiden können, also über genügend Autonomie verfügen, um in der Lage zu sein, Ja oder Nein zu sagen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird ihr Handeln von meinem Beispiel, meinen Überzeugen, meinen Facts beeinflusst sein. Aber sie dürfen in keinem Fall ihre Autonomie verlieren. So weit die ethische Dimension des Charismas. Wir tragen also grosse Verantwortung. Wir haben kein Recht, mit den Emotionen, den Ängsten und den Schwächen der andern zu spielen.
Bevor ich die anderen verurteile, habe ich in den Spiegel zu schauen. «Positives», «gesundes» Charisma achtet auf die andern und wird zu einer positiven Sache beitragen.
Wenn Sie also Charisma haben oder noch entwickeln wollen halten Sie immer ein Auge auf dessen ethische Dimension, Ihre Absichten und die Bewegung, die Sie in Gang setzen wollen (zugunsten welcher Vision?). Und achten Sie darauf, nie manipulativ zu werden. Beeinflussen, ja, manipulieren, nein.

Bis bald!

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