Konflikt? Chance!

Spannungen und Konflikte begleiten uns durch den beruflichen und privaten Alltag, wir erleben sie mit Familienmitgliedern, Nachbarn, Menschen, denen wir auf der Strasse begegnen, aber auch in den Ferien. Spaziergang, Perspektivenwechsel und Selbstreflexion sind drei Werkzeuge, mit denen man die Chancen packen kann, die sich hinter Konflikten verbergen.

Oft hören wir, Konflikte sollte man vermeiden. Teilen Sie diese Meinung?

Können wir nicht vielmehr Probleme vermeiden, wenn wir mehr Fragen stellen? Wir interpretieren Verhaltensweisen und Haltungen unserer Kollegen, Angehörigen oder Partner nämlich oft falsch. Deshalb reicht es manchmal, eine Frage zu stellen, um eine Situation zu klären oder ein Verhalten zu verstehen. Bloss nicht warten!
Daraus ergibt sich eine Grundregel zur Konfliktbewältigung: heikle Situationen und Konflikte so schnell wie möglich angehen. Die Zeit ist unter diesen Umständen selten eine Verbündete. Vielmehr verschlimmern sich konfliktgeladene Situationen sehr oft mit der Zeit.

Mein Ziel ist nicht, alle Konflikte zu vermeiden; sie sind manchmal nützlich, um die Grundlagen für eine belastbare Beziehung zu legen – und vor allem dafür, sich gegenseitig besser kennenzulernen.

Konflikte sind nicht selten ein Spiegel unserer selbst und unserer Werte. Personen, Kulturen oder Elemente davon werden miteinander konfrontiert. So, wie wir einen inneren Konflikt erleben, wenn wir uns zwischen zwei Werten entscheiden müssen, die tief in uns eingeschrieben sind.

Definition aus dem Wikiwörterbuch:
Von lateinisch conflictus (Zusammenstoss), Partizip Perfekt Passiv von confligere (aneinandergeraten, kämpfen), aus dem Präfix con- (mit, zusammen) und dem Verb fligere (schlagen, prallen).

Wenn man die Chance ergreifen will, die sich hinter jedem Konflikt verbirgt, muss man:

  1. sich kennen, insbesondere die eigenen Werte. Mehr dazu im Beitrag
    «Leadership setzt Bewusstsein für die eigenen Werte voraus».
  2. Selbstreflexion pflegen und sich über den eigenen Anteil Verantwortung am Konflikt klar werden.
    Dafür müssen wir Offenheit bewahren.
  3. das Gespräch suchen. Wesentlich ist, sich auf neutralem Territorium und auf Augenhöhe
    auszutauschen. Hier gilt es aufzupassen auf
    • verbale Aspekte: was sage ich?
    • nonverbale Aspekte: welche Sprache spricht mein Körper, was sagt mein Blick?
    • paraverbale Aspekte: in welcher Tonlage rede ich (nach dem Redensart «Der Ton macht die Musik»)

Drei Tools können dabei behilflich sein, diese Chance zu ergreifen.

Der Spaziergang als Werkzeug bei Spannungen und Konflikten

Der Spaziergang ist ein Schlüsselelement/-werkzeug meiner Leadership-Ausbildungen. Tausende Vorgesetzte verwenden diese Methode inzwischen im beruflichen wie im privaten Umfeld. Bei Spannungen und Konflikten empfehle ich, mit der betroffenen Personen zwanzig Minuten spazieren zu gehen. Aus meiner Perspektive gibt es nichts Schlimmeres, als jemanden in ein Büro aufzubieten, um einen Konflikt zu managen. Zwei Personen, die einander gegenüber sitzen, in einen Raum gezwängt, bei aufgeheizter Stimmung und in schlechter Luft.

Die Vorteile eines Spaziergangs lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Sie sind nebeneinander unterwegs; also nicht in einer konfrontativen Situation. Überdies passt man sich einander an, um gleich schnell zu gehen!
  • Sie gehen in dieselbe Richtung, bleiben nicht stehen, sondern kommen voran!
  • Sie regen Ihre Blutzirkulation an, Ihr Gehirn ist besser durchblutet, die Luftqualität draussen ist besser, Sie haben mehr Sauerstoff zur Verfügung. Sie können besser überlegen.
  • Sie sind «in Sicherheit», weil Sie draussen sind statt in einen Raum eingepfercht. Sie können sich der anderen Person nähern, auf Distanz gehen oder nötigenfalls gar die Flucht ergreifen.

Ein letzter Hinweis zum Spaziergang: Machen Sie Spaziergänge auch dann, wenn die Situation entspannt ist! Beispielsweise halbjährlich mit jedem Mitglied Ihres Teams. Damit verhindern Sie, dass Spaziergänge von vornherein mit Problemen assoziiert werden. Eines der von mir begleiteten Unternehmen hat den Spaziergang quasi institutionalisiert und im angrenzenden Wald eine zwanzigminütige Strecke mit Wegweisern des Unternehmens ausgezeichnet.

Kritik als Chance

Sie werden bisweilen kritisiert. Freuen Sie sich darüber! Dies gibt Ihnen Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln.

Tipps für eine konstruktive Haltung gegenüber Kritik:

  • Hören Sie hin – hören Sie aktiv zu.
  • Bleiben Sie entspannt, atmen Sie tief.
  • Wiederholen Sie, was Sie gehört haben (wie, wann, wo). Damit schaffen Sie die Möglichkeit eines besseren gegenseitigen Verständnisses.
  • Versetzen Sie sich in die Lage des andern (Perspektivenwechsel).
  • Bedanken Sie sich für die Kritik. Man hat Ihnen Aufmerksamkeit geschenkt, Sie haben die Möglichkeit, etwas Neues über sich zu erfahren.
  • Ordnen Sie die Kritiken in jene ein, die Sie betreffen, und jene, die den Umständen geschuldet sind.
  • Laden Sie die andern ein, Ihnen gegenüber Kritik zu äussern. Sie wollen ja etwas lernen.

Kritik kann Ihnen Facetten Ihrer Persönlichkeit offenbaren, die Sie nicht wahrnehmen konnten.

Perspektivenwechsel

Zeichnen Sie vier Quadranten auf ein Blatt Papier, zwei links, zwei rechts, untereinander.

  1. Für den Quadranten oben links denken Sie an eine Person, mit der Sie sich nicht verstehen, die Sie nicht schätzen oder mit der Sie Probleme haben. Schreiben Sie die drei Verhaltensweisen/Elemente oben links hin, die Sie schlecht finden, die negativ sind, beispielsweise: «Er ist arrogant».
  2. Für den Quadranten oben rechts denken Sie an sich selbst und schreiben da jene drei
    Verhaltensweisen/Elemente hin, die Sie gut finden, die positiv sind, beispielsweise: «Ich bin empathisch» …
    Und nun machen wir den Perspektivenwechsel.
  1. Für den Quadranten unten links überlegen Sie sich die positiven Elemente, die sich hinter den negativen Formulierungen / den negativen Aspekten verbergen, die Sie für die andere Person notiert hatten. Sehr oft wenn nicht fast immer kann man bestimmte Verhaltensweisen je nach Blickwinkel auch positiv empfinden. So steckt zum Beispiel hinter der Arroganz, die Sie als negatives Element erwähnt haben und die Sie stört, Schlagfertigkeit oder Selbstvertrauen.
    In den negativen Aspekten anderer kommen manchmal auch «Mankos» oder «Schwächen» auf unserer Seite zum Ausdruck, sie können uns einen Spiegel vorhalten.
  2. Schliesslich machen Sie im Quadranten unten rechts die Übung umgekehrt für sich. Die positiven Elemente, die Sie für sich selbst notiert haben, können auch negativ wahrgenommen werden. Empathie kann als Mangel an Persönlichkeit, als Zurückstehen oder als fehlendes Vertrauen, als unzureichende Stellungnahme empfunden werden.

Diese Übung empfiehlt sich in verschiedenen Situationen:

  • Als Vorbereitung auf das Meeting mit einer Person, zu der Sie ein spannungsgeladenes Verhältnis haben. Die Tatsache, dass Sie die Übung gemacht und sich Zeit dafür genommen haben, führt dazu, dass eine andere Energie und Aura von Ihnen ausgeht, sobald Sie mit der Person zusammentreffen. Dies kann erlauben, die Atmosphäre zu entspannen und auf einer neuen Basis in das Meeting zu starten.
  • Gibt es in Ihrem Team zwei Personen, zwischen denen Spannungen bestehen, können Sie die beiden einzeln beiseite nehmen und sie diese Übung individuell machen lassen. Erst danach organisieren Sie das Treffen / die Aussprache zwischen den beiden Personen.

Selbstverständlich lösen diese Tools und Übungen nicht alle Probleme, aber oft ermöglichen sie, Krisen und Spannungen zu entschärfen und das Gegenüber in einem anderen Licht wahrzunehmen. Ausserdem lernen wir uns dabei selbst besser kennen und können verstehen, weshalb bestimmte Personen manchmal Schwierigkeiten mit uns haben.

Erfolgreiche Perspektivenwechsel und gute Spaziergänge!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert