Wie lässt sich das Potenzial von Feedbacks (oder Feedforwards) nutzen?

Feedback ist wichtig und notwendig, niemand wird da widersprechen. Allen Theorien und Methoden zum Trotz wird sein Potenzial kaum oder gar schlecht genutzt. Oft wiederholen wir einfach, was wir quasi auswendig gelernt haben, ohne die Schlüsselprinzipien erfasst zu haben.

Wie oft hat man Ihnen nicht gesagt, dass sie mit etwas Positivem beginnen und «Negatives» erst danach erwähnen oder die «Sandwichtechnik» einsetzen sollen: mit etwas Positivem beginnen, etwas «Negatives» einbringen und dann mit Positivem abschliessen …
Nach meinem Dafürhalten ist hier mehr Klarheit angesagt: Es gibt Momente für Positives und andere für Konstruktives (eben nicht «Negatives»). Denn mit konstruktivem Feedback können Sie sich weiterentwickeln und daran wachsen.

Wenn wir von Situationen, Ereignissen oder Ergebnissen ausgehen, die wir erlebt haben, die gerade anstehen oder mehr oder weniger weit zurückliegen (es geht um den Teil «back» des Feedbacks), können wir Lehren daraus ziehen und sie für eine beteiligte Person oder Gruppe in den Vordergrund rücken (hier geht es um den Teil «forward» des Feedforwards). Dies ermöglicht es, voranzukommen, Fortschritte zu erzielen und etwas aufzubauen.

Aus meiner Perspektive ist es nicht nötig, die Dinge mit Positivem schönzureden, wenn unsere Absicht ist, ein konstruktives Feedback zu geben, ja, es kann sogar kontraproduktiv sein. Ihr Gegenüber ist ja nicht auf den Kopf gefallen. Sehr oft ist es sich aufgrund der Umstände, der Stimmung oder Ihrer Haltung bewusst, dass das, was Sie gerade sagen werden, nicht unbedingt positiv ist. Reden Sie deshalb nicht um den Brei und kommen Sie rasch zum Kern der Sache. Seien Sie gleichzeitig direkt und konstruktiv. Beachten Sie dabei fünf wichtige Prinzipien.

Bevor ich Ihnen diese fünf Prinzipien erläutere, drängt sich etwas Grundsätzliches auf: sowohl positive als auch konstruktive Rückmeldungen (Feedback/Feedforward) zu geben, ist tatsächlich äusserst wichtig, und zwar im Privat- genauso wie im Berufsleben, im Verein oder unter Freunden. Positives motiviert, Konstruktives bringt weiter und vermittelt einen Rahmen. Ein solcher Rahmen ist auch innerhalb der Familie sehr wichtig, etwa gegenüber den eigenen Kindern.

Jugendliche, die ihre ganze Kindheit immer nur Positives von sich gehört haben, werden mit grosser Wahrscheinlichkeit Probleme im Leben bekommen – weil ihnen der Rahmen zur eigenen Positionierung und zum Darüberhinauswachsen fehlt. Stellen Sie sich ein Kind vor, das tagtäglich hört «Oh, du bist so toll, das ist alles so nett und fein» und nie mit der Wirklichkeit, mit Grenzen konfrontiert ist. Früher oder später wird dies Folgen für die Integration, die psychologische Entwicklung, die Sozialisierung und für seine Entwicklung zum erwachsenen Menschen haben.

Selbstverständlich sollten die Rückmeldungen mehrheitlich positiv sein. Manche Kulturen kennen Redewendungen, wonach es für jede konstruktive («negative») Rückmeldung zur Kompensation oder um die Waage ins Gleichgewicht zu bringen vier oder fünf positive Rückmeldungen braucht. Es ist also an uns, für genügend positive Feedbacks zu sorgen.

Doch jetzt zu den fünf wichtigen Prinzipien:

  1. Meine aktuelle Verfassung, wie ich mich fühle

Meine Zustand, meine körperliche, geistige und gefühlsmässige Verfassung beeinflussen die Qualität der Rückmeldung, die ich gerade geben werde, und ihre Wirkung. Manchmal geht es nicht anders, als quasi in der Hitze des Gefechts eine Rückmeldung zu geben. Vielleicht muss man ein paar Mal tief einatmen, auf die Toilette gehen, einen Blick in den Spiegel werfen und sich fokussieren, bevor man anspricht, was gerade ansteht.

  1. Meine Absicht (die erwünschte Wirkung)

Was will ich mit der Rückmeldung erreichen, die ich gebe? Welche Absicht habe ich? Gebe ich diese Rückmeldung für mich oder will ich tatsächlich, dass mein Gegenüber oder die andern betroffenen Personen daran wachsen?

  1. Vorbereitung

Persönliche Vorbereitung ist das eine, Vorbereitung im Zusammenhang mit den Fakten das andere. Dazu muss man beobachten, klare Fakten zusammentragen und keinesfalls bloss von Vermutungen, Annahmen oder Spekulationen ausgehen. Kumulieren Sie die Fakten aber nicht! Rückmeldungen sollten immer im Zusammenhang mit einer Situation oder Fakten erfolgen, die nur wenige Tage zurückliegen – Feedback/Feedforward nicht auf die lange Bank schieben! So ist die Erinnerung an die Fakten noch frisch und es lassen sich einfacher Lehren daraus ziehen. Wenn Sie monatelang warten und dann gleich mit einer ganzen Liste von (heiklen) Themen aufwarten, wirkt das demoralisierend, und die erwartete Wirkung tritt nur eingeschränkt ein.

  1. Gewaltfreie Kommunikation (nach Marshall Rosenberg)

Geben Sie wie bereits erwähnt positives Feedback und konstruktives Feedback. Die Methode, die ich für konstruktive Rückmeldungen empfehle, ist jene der «gewaltfreien Kommunikation» von Marshall Rosenberg. Sie geschieht in vier klaren Schritten. Wenn Sie sich an diese vier Schritte halten, wird sich Ihr Gegenüber nicht angegriffen fühlen, es wird Ihren Überlegungen folgen können, Ihren Gemütszustand, aber auch den Grund für die von Ihnen geforderte Handlungsweise oder Veränderung verstehen.

a) Beobachtung
Beschreiben Sie, ohne zu bewerten. Legen Sie die konkreten Fakten unzweideutig auf den Tisch. Vermeiden Sie wertende Wörter wie «immer», «nie», «oft».

b) Gefühl
Teilen Sie mit, was Sie empfinden, was in Ihnen vorgeht, welche Gefühle Sie haben. Sie sind es sich schuldig, mit sich selbst im Reinen zu sein. Wenn Sie beispielsweise traurig oder aufgebracht sind, dann können Sie das sagen und den entsprechenden Ton anschlagen. Gewaltfreie Kommunikation ist nicht gleichbedeutend mit «neutraler» Kommunikation. Drei Dimensionen sind hier zu beachten, das Verbale (das, was man sagt; der Inhalt), das Nonverbale (Körpersprache, die mit dem Inhalt einhergehende Haltung) und das Paraverbale (die Art, wie man etwas sagt; der Tonfall). Sagt man nicht «Der Ton macht die Musik»?

c) Bedürfnis
Damit Ihr Gegenüber versteht, weshalb Ihre Beobachtung die zum Ausdruck kommenden Gefühle nach sich zieht, müssen Sie Ihr Bedürfnis vermitteln. Achtung, Bedürfnis ist nicht etwas, das Sie erwarten. Es hat mit Ihnen zu tun. Ein mögliches Bedürfnis kann beispielsweise sein, dass Sie Ruhe wünschen. Was Sie erwarten, ist, dass Ihr Gegenüber schweigt.

d) Handlung/Bitte
Zu guter Letzt, nach diesen ersten drei Schritten, können Sie die Handlung/Aktion zum Ausdruck bringen, die Sie erbitten. Marshall Rosenberg spricht einfach von der Bitte, die Sie haben.

Diese Methode hat sich sowohl im Privaten als auch in der Arbeitswelt als sehr effizient erwiesen. Um sie zu beherrschen und spontan anwenden zu können, brauchen Sie ein wenig Training. Üben Sie und gehen Sie beim Vorbereiten einer heiklen Situation, die Sie meistern müssen, die vier Schritte der Methode mit einer neutralen Person durch, die Ihnen Rückmeldungen geben und Ihnen dabei helfen kann, die Methode zu beherrschen.

  1. Verständnis und Reproduzierbarkeit

Den letzten Punkt, den ich im Zusammenhang mit Rückmeldungen (Feedback/Feedforward) für besonders wichtig halte, ist, sich so einfach und klar wie möglich auszudrücken – und dabei vor allem die Wirkung in den Vordergrund zu stellen.

Bei einer positiven Rückmeldung erwähne/erläutere ich die Situation, in der mein Gegenüber etwas gut getan oder gesagt hat, dann sage ich, was daran gut war und, vor allem, welche Wirkung es auf mich bzw. Dritte gehabt hat. So versteht die angesprochene Person, weshalb sie richtig gehandelt hat, und kann ihre Haltung oder ihr Verhalten in einer vergleichbaren Situation reproduzieren.
Dies ist besser, als einfach danke zu sagen – was ja an sich schon viel wert ist, aber nach meinem Dafürhalten eben nicht genug.

Selbstverständlich werden Sie manchmal nach dem positiven Element trotzdem noch ein konstruktives anfügen wollen. In diesem Fall lege ich Ihnen nahe, beim Übergang vom positiven zum konstruktiven Element auf das Wort «ABER» zu verzichten. Verwenden Sie «UND», denn so fügen Sie etwas bei, ohne das Positive zu beseitigen, das Sie doch eben gerade erwähnt hatten. Das Wort «ABER» entspricht der Delete-Taste Ihres Computers. Sobald es über Ihre Lippen geht, konzentriert sich Ihr Gegenüber auf das, was kommt, und löscht, was zuvor gesagt wurde … Schade!

Noch eine letzte Empfehlung zu diesen fünf Prinzipien: Geben Sie Ihre Rückmeldungen bei einem Spaziergang mit Ihrem Gesprächspartner. Sich vorwärts zu bewegen, hat viele Vorteile und einen grossen Nutzen. Zudem können Sie damit den Stress kanalisieren.

Ich wünsche Ihnen viele positive und konstruktive Rückmeldungen – damit Sie daran wachsen und andere daran wachsen können.

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