Leadership setzt Bewusstsein für die eigenen Werte voraus

Wenn Sie im Unternehmen, für das Sie arbeiten, einen Entscheid fällen, haben Sie sich dabei schon gefragt, ob Sie sich von den Werten des Unternehmens oder von ihren eigenen leiten lassen?

Denn IHRE (erklärten oder ungenannten) Werte haben einen enormen Einfluss, oft einen bedeutsameren als jene des Unternehmens – auch wenn in fast allen Betrieben die Unternehmenswerte hochgehalten werden.
Die sind natürlich wichtig, aber nicht selten fehlen damit verknüpfte Reflexe, die ihnen Leben einhauchen. Ich spreche in diesem Zusammenhang vom Verkörpern der Unternehmenswerte in nachvollziehbaren, messbaren Verhaltensweisen. Auf die Unternehmenswerte kommen wir in einer meiner nächsten Kolumnen zurück.
Konzentrieren wir uns vorerst auf IHRE Werte.

Über Ihre Werte sollten Sie sich unbedingt Rechenschaft geben. Deshalb ist die aktuelle Etappe unserer Reise («Leadership: Weshalb erzielen wir nicht die erwartete Wirkung?») sehr persönlich, quasi eine
Herzensangelegenheit, sie betrifft unsere WERTE.

Was sind Werte?
Ein «Wert» ist, was aufgrund individueller und gesellschaftlicher Einschätzung als erwünscht, gut,
bereichernd, nützlich und belebend betrachtet wird. Werte beeinflussen unser Handeln und Entscheiden. Sie vermitteln Orientierung und geben Antrieb.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwarten von ihren Führungskräften eine klare und standfeste Haltung, die auf Werten beruht. Eine solche Haltung fördert sowohl Sicherheit beim Handeln als auch Transparenz und verleiht dem Rahmen, in dem sich die Mitarbeitenden wohl fühlen, Stabilität. Werte sind eine Quelle der Sicherheit.

Selbstreflexion
Welches sind Ihre eigenen Werte? (Was ist Ihnen wichtig?) Was regt sie an? Ich bin sicher, dass Sie alle ganz starke persönliche Werte haben. Sie entspringen Ihrer Erziehung, den Menschen, die Sie geprägt haben (Eltern, Freunde, Idole), Ihren Glaubenssätzen, Ihren Überlegungen und dem, was Sie erlebt haben … Aber haben Sie sie formuliert? Reflektiert?

Was verstehen Sie unter dem Wert A oder dem Wert B? Was meinen Sie damit? Es ist wichtig, sich dieser
Übung zu unterziehen, damit sich die andern an Ihnen orientieren können. Kennen meine Mitarbeiterinnen meine Werte und was mir wichtig ist, können sie Stellung beziehen und vor allem meine Reaktionen vorwegnehmen. Dies gibt Orientierung und verstärkt die Beziehung.

Ein ganz simples Beispiel. Für viele unter Ihnen ist RESPEKT ein wichtiger Wert. Doch was verstehen Sie unter Respekt? Für mich hat der Begriff «Respekt» beispielsweise mit Pünktlichkeit zu tun. Wenn ich mit meiner Frau verabredet bin und sie unangekündigt 45 Minuten zu spät auftaucht, macht mich das nervös und ich finde, sie sei mir gegenüber respektlos. Was aber, wenn meine Frau aus Afrika kommt, aus einer Kultur, in der man die Zeit anders versteht als bei uns? Unter anderen Umständen können auch zwei Stunden Verspätung noch als «pünktlich» durchgehen und werden keinesfalls als Respektlosigkeit empfunden.

Unser Gegenüber geht also ebenfalls von seinen eigenen Werten aus. Deshalb müssen wir sie definieren, sie verdeutlichen und sie kommunizieren, um die Beziehungen am Arbeitsplatz und die Zusammenarbeit zu erleichtern.

Wie in allen Dingen kann Übertreiben ungewollte Konsequenzen haben, so läuft eine sparsame Person
Gefahr, zum Geizhals zu werden, wenn sie sich dessen nicht bewusst ist. Andererseits kann sich eine
sparsame Person in bestimmten Situationen als sehr grosszügig erweisen. Alles hängt von der Situation ab.
Im Geldausgeben ist ein und dieselbe Person vielleicht sparsam, in der Liebe oder in ihrer Zuneigung
hingegen sehr grosszügig. Jedem Wert entspricht ein positives Gegengewicht, das es zu erkennen gilt … um sich selbst besser zu erkennen.

Deshalb empfehle ich allen mir Nahestehenden, die folgende Übung mit den drei Werten zu machen, die
ihnen am wichtigsten sind: Welchen positiven Gegengewichten entsprechen sie (auf der Werte-Waage) und was kommt heraus, wenn ich übertreibe?

Ich habe diese Übung absolviert, dann vor allem meinen Mitarbeitern systematisch meine drei Schlüsselwerte vermittelt und ihnen erklärt, was mir wichtig ist. Meine Werte stehen auch an der Bürotür und in einem Dokument, das im Intranet des Unternehmens allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugänglich ist.

Meine drei Werte und ihre positiven Gegengewichte sind:

  1. FAMILIE
    (Zugehörigkeit, Bedeutung des Teams); ihr Gegengewicht ist in meinem Fall:
    INDIVIDUALITÄT
    (ich muss auch auf mich aufpassen, darf mich nicht vergessen und nicht immer an die anderen denken)
  2. SPASS
    (als Motor, der Energie freisetzt, der mich antreibt); ihr Gegengewicht ist in meinem Fall:
    SERIOSITÄT
    (ich bin entspannt, aber was ich sage, hat Sinn und ist begründet)
  3. NACHHALTIGKEIT
    (ich will mittel- und langfristig einen positiven Einfluss haben); ihr Gegengewicht ist in meinem Fall:
    ACHTSAMKEIT
    (ich muss mich auch auf den gegenwärtigen Moment fokussieren = hier und jetzt leben, statt in Gedanken ständig in der Zukunft zu sein)

Machen Sie diese Übung, klären Sie Ihre Werte und bringen Sie sie zum Ausdruck. Dies verleiht Ihnen neuen Schub in Ihren privaten und beruflichen Beziehungen.

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